Am Donnerstag, den 27.04.2017, tagte die ordentliche Mitgliederversammlung des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. Mit Unterstützung der Interessengemeinschaft Pro Verein 1896 war eine Reihe von Anträgen gestellt worden (hier geht es zu allen gestellten Anträgen). Pro Verein 1896 zieht im Wesentlichen ein positives Fazit. Erstmals seit dem Beschluss der Mitgliederversammlung Ende 1999, die Profifußballabteilung in eine KGaA auszulagern, hatten die Mitglieder in der Niedersachsenhalle des Hannover Congress Centrums die Möglichkeit, über die Übernahmepläne Martin Kinds zu befinden und sich damit für oder gegen den Erhalt von 50+1 auszusprechen.
Deutliche Kritik an Organisation – Satzungsänderungsantrag in anfechtbarer Weise behandelt
Der spannendste Antrag des Abends war sicherlich der Satzungsänderungsantrag zum Schutz der 50+1-Regel und zur Erweiterung der Mitgliedermitbestimmungsrechte in Hannover, gegen den der Vorstand im Vorfeld massiv mobilisiert hatte. Neben dem fragwürdigen Vorstandsbrief an alle stimmberechtigten Vereinsmitglieder, kam es auch im Rahmen der Abstimmung über den Antrag zu diversen Ungereimtheiten. So erfolgte die Abstimmung nicht geheim, obwohl ein entsprechender Antrag gestellt, aber vom Versammlungsleiter trotz mehrfacher Intervention anwesender Juristen und eines Notars missachtet wurde. Ebenso wurde weder die Beschlussfähigkeit der Versammlung vor der Abstimmung ordnungsgemäß festgestellt noch die Auszählung der Stimmen wie angekündigt notariell beaufsichtigt. Die Auszählung konnte auch nicht – wie zugesichert – durch uns von Anfang an überwacht werden. Zudem erfolgte die Stimmabgabe personalisiert und so gaben viele Mitglieder nur unter Protest ihre Stimme ab, wobei sie teilweise sogar von Antragsgegnern gefilmt wurden. Wie viele Mitglieder sich hätten enthalten wollen, wurde zahlenmäßig nicht erfasst. Eine freie und unbeeinflusste Abstimmung war unter diesen Bedingungen nicht möglich. Das Ergebnis von ca. 60% „Ja-Stimmen“ zu dem Antrag wurde daher zur Nebensache. Auch eine erreichte 2/3-Mehrheit hätte bei den schweren Verfehlungen der Versammlungsleitung nicht zu einem wirksamen Beschluss geführt.
Unsere beauftragte juristische Prüfung der Abstimmung hat ergeben, dass diese in anfechtbarer Weise durchgeführt worden ist. Das Ergebnis der Abstimmung zum Satzungsänderungsantrag wurde nicht korrekt ermittelt. Gerade bei der Wichtigkeit des Antrags und dem knappen Ergebnis hätte die Versammlungsleitung ein transparentes Verfahren sicherstellen müssen. Wir gehen daher von Vorsatz aus. Die Verantwortlichkeit hierfür sehen wir beim Aufsichtsratsvorsitzenden Valentin Schmidt, der die Art und Weise der Abstimmung im Vorfeld zumindest nicht im gesamten Aufsichtsrat kommuniziert hatte.
Das Abstimmungsergebnis zeigt dennoch deutlich, dass es im Verein eine Mehrheit gibt, die die Pläne des Vorstandsvorsitzenden Martin Kind ablehnt, einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel bei der DFL zu stellen. So war es auch wenig verwunderlich, dass ein von Aufsichtsrat Ralf Nestler eingereichter Antrag kurz darauf mit einer überwältigenden Mehrheit von etwa 3/4 der Stimmen angenommen wurde, welcher vorsieht, vor einem solchen Antrag bei der DFL die Vereinsmitglieder detailliert zu informieren und diese über die Stellung des Antrags entscheiden zu lassen. Obwohl der Vorstand für Kinds Übernahmepläne kurzfristig 4.200 Briefe versandte, fanden sich letztlich nur noch 86 Stimmen, die gegen den Antrag stimmten.
In einem ersten Statement Kinds ließ dieser verlauten, er sehe das Votum der Mitgliederversammlung lediglich als Empfehlung an denn als klare Handlungsvorgabe. An dieser Einschätzung äußerte Pro Verein 1896 umgehend Kritik. Die von Pro Verein 1896 beauftragte juristische Prüfung bestätigt die Wirksamkeit des Beschlusses. Vorstand und Aufsichtsrat sind an den Beschluss der Mitglieder gebunden und handeln andernfalls wider das Vereinsinteresse.
Wir fordern Martin Kind dazu auf, das Votum der Mitglieder zu akzeptieren und nicht erneut, wie schon bei der Vorbereitung der Abstimmungen, ein fehlendes Demokratieverständnis zu offenbaren. Der Beschluss eröffnet auch ihm die Möglichkeit, seine Pläne vorzustellen, aber insbesondere den Mitgliedern zu erklären, weshalb der bisher mit 50+1 begangene Weg, der alle bisherigen Erfolge ermöglicht hat und dies auch weiterhin verspricht, verlassen werden soll.
Vorstand zum Rückerwerb der Markenrechte beauftragt
Der Vorstand wurde durch einen weiteren angenommen Antrag beauftragt, die im Jahre 1998 an Kinds Investorengesellschaft verkauften Markenrechte des Vereins zurück zu erwerben, um künftig über vergebene Markenlizenzen die Einnahmen des Vereins unabhängiger von den Mitgliedsbeiträgen zu gestalten. In diesem Zusammenhang erklärte Kind, der Verein habe das Recht, die Markenrechte jederzeit zum ursprünglichen Kaufpreis zurück zu erwerben. Der Vorstand ist aufgefordert, diesen Vermögensgegenstand unverzüglich und mit höchster Priorität für den Verein vollumfänglich zu sichern. Nur diese Vorgehensweise gewährleistet eine gesicherte Projektfinanzierung bereits des ersten geplanten Bauabschnittes in Höhe von 10 Millionen Euro für das Vereinszentrum in der Stammestraße. Aktuell verfügt der Verein, wie deutlich wurde, nicht einmal über die Hälfte dieser Summe.
Informationsanträge bleiben teils unbeantwortet
Zahlreiche Antworten blieb der Vorstand bei den gestellten Informationsanträgen schuldig. In Bezug auf das genannte Projekt „Vereinszentrum Stammestraße“ zeigte sich der Vorstand dahingehend einsichtig, dass man versicherte, alle Fragen detailliert schriftlich zu beantworten und die Ergebnisse allen Mitgliedern zur Verfügung zu stellen (siehe unten).
Kind hingegen, der im Hinblick auf seinen Wunsch nach Übernahme der Stimmrechte an der Profifußballgesellschaft gebeten worden war, Art und Umfang seiner Förderung in den vergangenen fast 20 Jahren zu konkretisieren, ließ mehr Fragen offen als er beantwortete. Die Förderung sei umfangreich und erheblich gewesen, so Kind. Nähere Informationen wollte er nicht preisgeben, obwohl er sie vorliegen hatte, wie er kundtat. Im Jahr 2016 hat Kind dem Verein übrigens 2.600 Euro als Spende zukommen lassen, wie auf Nachfrage bei der Präsentation des Wirtschaftsberichts bekannt wurde.
Vereinszentrum Stammestraße
Den Mitgliedern wurde präsentiert, dass der Verein für 10 Millionen Euro ein Fitnessstudio mit Kneipe, Saal und zwei Turnhallen von 450 und 160 Quadratmetern Grundfläche bekommen soll. Dabei bleibt festzuhalten, dass die entstehenden Anlagen für die meisten Sparten nicht für den Trainings- und erst recht nicht für den Wettkampfbetrieb geeignet sind. So erklärt sich auch, dass durch den Neubau des Vereinszentrums keine Einsparungen bei Anmietung vereinsfremder Sportstätten entstehen, da viele Sparten weiter auf diese angewiesen sein werden, um adäquate Trainings- und Wettkampfbedingungen vorzufinden. Diese geplante Einrichtung soll künftig einen Finanzbedarf von 1,2 Millionen Euro im Jahr zusätzlich verursachen. Wie lassen sich 100.000 Euro pro Monat also künftig refinanzieren? Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer wurde nach eigenen Aussagen vorab jedenfalls nicht beauftragt, die Planzahlen einmal durchzurechnen.
Es ist angedacht, für die Nutzung des Fitnessstudios erhöhte Mitgliedsbeiträge zu erheben. Unseren 3.500 aktiven Mitgliedern, darunter bereits eine abziehbare vierstellige Zahl von Kindern aus der Sparte Fit & Kids, müssten beispielsweise bereits im ersten Jahr weit mehr als 1.250 Verträge für das Fitnessstudio zu einem ambitionierten Preis von 80 Euro im Monat verkauft werden. Einen Wellnessbereich oder eine Sauna, die in dieser Preisklasse absoluter Standard wären, sucht man übrigens vergeblich.
Zahlreiche Fragen aus dem Informationsantrag eines Mitglieds zum Themenkomplex „Vereinszentrum Stammestraße“ konnten nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Anstatt den Wochen vorher vorliegenden und detailliert gestellten Fragenkatalog ernst zu nehmen und die Antworten vorliegen zu haben, hatte man versucht, die anwesenden Mitglieder im Schnelldurchlauf mit ein paar pauschal formulierten Antworten zufriedenzustellen. Dies offenbarte einmal mehr die fehlende Wertschätzung des Vorstands gegenüber den Vereinsmitgliedern, erst recht, wenn man bedenkt, welches finanzielle Risiko der Verein mit dem Bau für die nächsten Jahre eingehen wird.
Dank massiver Kritik an diesem Vorgehen wird es in Kürze ein Treffen zwischen Antragsteller und Vereinsverantwortlichen geben, bei dem das Projekt in aller Ausführlichkeit vorgestellt und alle Fragen beantwortet werden sollen. Pro Verein 1896 wird anschließend über die Antworten auf unsere Fragen informieren. Außerdem sollen die entsprechenden Dokumente, so wie es der Antrag vorsieht, allen interessierten Mitgliedern in der Geschäftsstelle des Vereins zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden.
Martin Kind würde an jeden verkaufen
Fast beiläufig entwaffnete sich Kind in Bezug auf die bisher getätigten Aussagen, nach einem eventuellen Wegfall von 50+1 in Hannover ausschließlich auf regionale Investoren zu setzen. Dass dies lediglich eine Schutzbehauptung zur Beschwichtigung war, sollte auch bis dahin schon jedem klar gewesen sein. Seine wahre Intention machte Kind dann deutlich, als er darüber referierte, dass Continental nicht für ein weiterführendes Engagement als Investor zu gewinnen gewesen sei. Er stellte klar: „Ich würde meine Anteile sofort an jeden zum Nominalpreis verkaufen, egal wer da kommt, aber es findet sich aktuell keiner.“ Vielen Dank, Herr Kind, dass diese Maske endlich einmal gefallen ist.
Von Pro Verein 1896 unterstützte Kandidaten gewinnen Ehrenratswahl
Bei der Wahl zum Ehrenrat waren alle drei von Pro Verein 1896 unterstützten Kandidaten erfolgreich. Liesel Westermann-Krieg, Vereinsurgestein und Leichtathletiklegende, fuhr hierbei das mit Abstand beste Ergebnis aller Kandidaten ein. Die ebenfalls unterstützten Christian Dawideit und Karl-Heinz Peter Eike belegten die Plätze zwei und drei. Aktuell befindet sich der Ehrenrat noch in der Konstituierung.
Zerrissenheit des Vereins wird offenbar
Pro Verein 1896 bedauert ausdrücklich die tiefe innere Zerstrittenheit unter den Vereinsmitgliedern. Bei aller Diskrepanz in Sachfragen ist es keine Option, sich gegenseitig zu beleidigen, wie es auf der JHV von Gegnern und Befürwortern der Anträge geschehen ist.
Ausblick
Pro Verein 1896 wird sich auch in Zukunft für den Erhalt der 50+1-Regel in Hannover stark machen. Die mit am besten besuchte Mitgliederversammlung der letzten Jahrzehnte hat hierzu ein eindeutiges Votum erteilt und durch Mehrheitsbeschluss Kinds Pläne zur Übernahme der Stimmrechte an der Profifußballmannschaft zunächst verhindert.
Außerdem werden die Ereignisse der Jahreshauptversammlung weiterhin einer detaillierten und umfassenden Prüfung unterzogen, um alle Ungereimtheiten aufzudecken. Wir bitten hierbei um Verständnis, dass nicht jede Maßnahme umgehend öffentlich gemacht werden kann und es nach außen hin um Pro Verein 1896 daher manchmal viel zu ruhig – aber eben nur gefühlt zu ruhig – wirkt. Wir versichern euch: Wir sind dran! Die Arbeit in unseren AGs braucht eben manchmal etwas Zeit, Brechstange nützt nichts.
Aktuell warten wir noch auf das Protokoll der Jahreshauptversammlung, welches trotz mehrfacher Nachfrage bislang nicht fertiggestellt wurde. Dabei handelt es sich hierbei um eine einfache Mitschrift, die nur noch in Form gebracht werden muss. Wir sind gespannt, wie vollständig und genau das Protokoll ausfallen wird.
Wir möchten in diesem Zuge jedes Mitglied einmal daran erinnern und ausdrücklich dazu ermutigen, sich per Mail, Brief oder in persönlichen Terminen an Vorstand und/oder Aufsichtsrat zu wenden und Auskunft zu verlangen, sei es zum Protokoll, zu den Vorgängen der Jahreshauptversammlung oder – besonders wichtig – zum Umgang mit den beschlossenen Anträgen. Dies sind elementare Mitgliederrechte, die jeder von uns wahrnehmen darf und sollte.
Mitgliederkampagne und außerordentliche Mitgliederversammlung
Außerdem wird ab sofort eine eigene Mitgliederkampagne gestartet. Der Verein lebt von Mitarbeit und Mitbestimmung. Nur so können die Ziele zum Wohle des Vereins verwirklicht werden. Ebenso wollen wir noch stärker als bisher mit den Mitgliedern der einzelnen Abteilungen im Verein in Kontakt treten, denn der Erhalt von 50+1 und stärkere Mitbestimmungsrechte der Mitglieder sind auch in ihrem Interesse.
Wir stehen stets für Nachfragen zur Verfügung und besuchen zukünftig sehr gerne auch Spartenveranstaltungen, um unsere Positionen und Argumente zu vermitteln und darüber zu diskutieren.
Im Gegensatz zu den Verantwortlichen, die 50+1 und Mitgliedermitbestimmung abschaffen wollen, haben wir nichts zu verbergen und stellen uns gerne jeder Diskussion. Nur gemeinsam können wir die Gräben überwinden und das Beste für unseren Verein bewirken. Daher streben wir auch eine außerordentliche Mitgliederversammlung an, die sich erneut mit einem Satzungsänderungsantrag befassen wird, der die 50+1-Regel in unserer Satzung festhalten soll. Doch dafür brauchen wir dich und deine Stimme!
Aus diesem Grund rufen wir alle 96-Fans dazu auf, denen die Verbindung zwischen der Profifußballmannschaft und dem Verein wirklich am Herzen liegt, jetzt Passives oder Aktives Mitglied bei Hannover 96 zu werden bzw. eine bestehende Fördermitgliedschaft entsprechend aufzuwerten. Tretet jetzt in den Verein ein und sichert euch das Stimmrecht, bevor es vielleicht unwiderruflich zu spät ist! Denn um unserem Verein die Zukunft zu sichern, zählt nur eins: 50+deins !