Faktencheck zur Stellungnahme von Hannover 96 vom 02.11.2018

„Hannover 96 e.V.“ und „Hannover 96 GmbH & Co. KGaA“ haben mit einer Stellungnahme vom 2. November 2018 auf die Veröffentlichungen von Pro Verein 1896 zur Einreichung von 1310 Anträgen auf die Durchführung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung reagiert. Pro Verein 1896 möchte kein weiteres Öl ins Feuer gießen, denn wie schon anlässlich der Vorstellung unseres Zukunftskonzepts für den Hannoverschen Sportverein v. 1896 e.V. erläutert, geht es jetzt vielmehr darum, den Streit, intern wie extern, zu beenden, den Verein und seine Sparten, ob Amateure oder Profis, zu versöhnen und endlich eine zukunftsfähige Zusammenarbeit mit den Profigesellschaften zu etablieren.

Wir beschränken uns daher bewusst darauf, den Behauptungen aus der Stellungnahme von Hannover 96 nachprüfbare Fakten gegenüberzustellen, um Missverständnisse aufzuklären und die Debatte zu versachlichen. Wir verbinden dies mit der Hoffnung, dass die angesprochenen „Ängste und Sorgen“ der Mitglieder, die diese bereits mit der Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat dokumentiert hatten und nun mit ihrem eindrucksvollen Votum zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung bestätigt haben, von den Verantwortlichen endlich ernst genommen werden.

Faktencheck

Behauptung aus der Stellungnahme von 96: „Die Lizenz für die Fußball-Bundesliga wird nicht gefährdet.“

Fakt: Die Behauptung wird nicht belegt. Warum die Lizenz tatsächlich doch gefährdet ist, hat Pro Verein 1896 bereits am 09.10.2018 dargelegt. Nach eigener Recherche ist auch die Sportbild in ihrer aktuellen Ausgabe zu diesem Ergebnis gekommen. Der Tagesspiegel berichtet von einer Quelle bei der DFL, welche bestätigt hat, dass Hannover 96 im März dieses Jahres KEINE Lizenz für die Saison 2018/2019 erhalten hätte, wenn es die Satzungsänderung damals schon gegeben hätte. Tagesaktuell berichtet die Bild, dass sich mittlerweile sogar die Ethik-Kommission des DFB des Themas angenommen hat.

Behauptung: Das kontinuierliche Ausbluten der Profimannschaft durch Verzicht auf Nachbesetzungen ist falsch. Hierzu wird darauf verwiesen, dass über 17 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben wurden und es sich aktuell um die teuerste Mannschaft aller Zeiten handelt.

Fakt: Nicht erwähnt wird, wie viel durch Abgänge eingenommen wurde. Laut transfermarkt.de wurden in der aktuellen Saison lediglich 4,65 Mio. Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Betrachtet man die Zeit nach den Europapokalteilnahmen, so ist dies – mit Ausnahme der Zweitligasaison – die geringste Nettoinvestitionssumme von Hannover 96. In den übrigen Spielzeiten wurden zwischen 4,9 und 18,75 Mio. Euro mehr ausgegeben als eingenommen.

Auch erwähnt Hannover 96 nicht, dass das Marktwertdelta bei den zur aktuellen Saison transferierten Spielern -11,95 Mio. Euro beträgt und der Marktwertverlust durch Transfers deutlich höher war als in den anderen Spielzeiten seit dem Ausscheiden aus dem Europapokal; wieder einzige Ausnahme: Die Zweitligasaison 2016/17 mit einem Marktwertverlust von 16,38 Mio. Euro durch Transfers.

Behauptung: „Die aktuelle Mannschaft ist die teuerste der Vereinsgeschichte.“

Fakt: Dies ist hinsichtlich der absoluten Zahlen zwar vermutlich zutreffend, als Aussage allerdings ohne Nutzwert. Angesichts explodierender TV-Gelder und daraus resultierend beständig steigenden Ablösesummen und Gehältern ist dies eine Aussage, die praktisch für jede neue Saison zutreffen wird. Mit Ausnahme des 1. FC Nürnberg hat jeder (aktuelle) Bundesligist in den letzten fünf Jahren seinen Marktwert deutlich erhöht. Hannover 96 steht in der Tabelle der prozentualen Marktwertsteigerungen seit 01.11.2013 übrigens lediglich auf Platz 16, was bedeutet, dass man im relativen Vergleich zu allen anderen Bundesligisten überaus schlecht abgeschnitten hat.

Behauptung: Hannover 96 bestreitet einen geplanten Ausverkauf. Erwähnt wird, dass z.B. Niklas Füllkrug entgegen gebotener Rekordablösesummen gehalten wurde.

Fakt: In einem aktuellen Presseartikel bestätigt Martin Kind, dass die Transfereinnahmen deutlich erhöht werden sollen und verweist auf einige werthaltige Spieler, welche verkauft werden könnten. Dass die Angst unter den Fans über ein „Ausbluten der Profimannschaft“ real ist, zeigt im Übrigen die im o.g. Artikel erwähnte Umfrage, laut der rund 80 % der Teilnehmer (Stand: 05.11.2018, 08:30 Uhr) nicht möchte, dass werthaltige Spieler verkauft werden und somit den geplanten Weg von Martin Kind nicht mitgehen wollen.

Behauptung: Gesellschafter haben „noch einmal einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung gestellt, um den Spielbetrieb zu sichern und das Ziel Klassenerhalt in dieser Saison erreichen zu können“.

Fakt: Wer diese Gesellschafter sein sollen, wird leider ebenso wenig erwähnt wie die Art der Bereitstellung des Geldes und wer für die Etatlücke von 10 Mio. Euro überhaupt verantwortlich ist. Mit Blick auf die erst am 7. September 2018 geänderte Satzung der KGaA, in der ein unverändertes Stammkapital von 13 Mio. Euro genannt wird, kann es sich zumindest nicht um eine Erhöhung des Eigenkapitals durch ihren einzigen Gesellschafter, der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG (S&S), handeln.

Behauptung: Die genannte Zahl (35 Mio. Euro in den drei Spielzeiten 2016-2019) zu den Verlusten der Profigesellschaft ist falsch.

Fakt: Aus den Pro Verein 1896 vorliegenden Quellen ergibt sich ein kumulierter Verlust von 37 Mio. Euro. Im Jahresabschluss der H96 KGaA vom 30.06.2017 ist ein Verlust von 12 Mio. Euro für die Saison 2016/2017 festgestellt worden. Für die Saison 2017/2018 hat Martin Kind einen Verlust von 10 Mio. Euro prognostiziert. (Hinweis: Der Jahresabschluss der KGaA zur Saison 2017/18 ist aktuell noch nicht einsehbar. Die Zahl kann somit nicht abschließend verifiziert werden.) Für die aktuelle Saison 2018/2019 werden von Martin Kind sogar 15 Mio. Euro Verlust vorausgesagt.

Behauptung: „Diese Verluste belasten in keiner Weise Hannover 96 e.V.“

Fakt: Das ist korrekt, das Gegenteil wurde zumindest seitens Pro Verein 1896 im Übrigen zu keiner Zeit behauptet. Darüber hinaus ist dies ein Beleg dafür, dass es keinerlei haftungsrechtliche Gründe für einen Verkauf der Hannover 96 Management GmbH an Martin Kind gibt.

Behauptung: „Auch die IG Pro Verein sollte wissen, dass der Vorstand von Hannover 96 e.V. ausschließlich für den Breiten- und Amateursport zuständig ist, aber nicht für den Profifußball. Vor diesem Hintergrund sind Äußerungen zur Bundesligamannschaft und deren Finanzierung inakzeptabel und untauglich für ein Zukunftskonzept, in dem beide Säulen von Hannover 96 (Profifußball und Breitensport) miteinander harmonisieren (sic!) sollen.“

Fakt: Pro Verein 1896 hat niemals behauptet, dass der Vereinsvorstand für die operative Geschäftsführung der Profifußballgesellschaft zuständig sei. Eine grundsätzliche Zuständigkeit ergibt sich allerdings durch die Eigentümerschaft an der Hannover 96 Management GmbH. Durch Martin Kinds Ämterhäufung kann von einer klaren Aufgabentrennung zudem keine Rede sein. Davon abgesehen stellt eine derart dargestellte Trennung einen Verstoß gegen die aktuell gültige 50+1-Regel und somit einen Verstoß gegen die Lizenzierungsordnungen und Satzungen von DFL, DFB und NFV dar.

Das Zukunftskonzept von Pro Verein 1896 sieht für Hannover 96 vor, dass beide Säulen (e.V. und KGaA) auf Augenhöhe stehen. Da beide Säulen voneinander profitieren, versteht es sich von selbst, dass gegenseitig Erfolg und Misserfolg kommentiert werden können und Vorschläge zum Ausbau von Erfolg bzw. Abbau von Misserfolg unterbreitet werden sollen. Denn dafür steht Pro Verein 1896: Für ein gemeinsames Hannover 96 von Breitensport, Spitzensport und Profifußball!