Vielen Dank nochmal nach Ingolstadt für das Interview, zum Thema Satzungsänderungen beim FC Ingolstadt e.V., das wir bereits vor einiger Zeit auf unsere Seite veröffentlicht hatten. Zum Auswärtsspiel der Fußballprofis von Hannover 96 wurde Pro Verein für das Spieltagsheft der Fangruppe “BRC” interviewt. Das Interview könnt ihr hier nachlesen:
1. Welche Veränderungen hat es in den letzten Jahren im Hannover 96 e.V. gegeben? Wie sieht die derzeitige Struktur des Vereins aus?
Der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V. hat sich in den letzten Jahren erfreulich entwickelt und ist auf mittlerweile 13 Sparten gewachsen. Es wird jetzt zusätzlich die Möglichkeit geboten, sich in Dart, Floorball oder Tischfußball sportlich zu betätigen. Leider wird gerade Fußball seit der Ausgliederung der Profiabteilung im Jahre 1999 im Jugend- und Herrenbereich nicht mehr angeboten. Im Verein verblieben nämlich nur die Frauen- und Seniorenmannschaften.
Im September 2014 wurden die letzten verbliebenen Kapitalanteile an der Profigesellschaft (KGaA) auf eine höchst intransparente Weise verkauft. Dem Verein gehört nunmehr lediglich die geschäftsführende GmbH, um 50+1 zu wahren. Die Vereinsführung informierte die Mitglieder erst auf der darauffolgenden Mitgliederversammlung im April 2015 darüber. Offiziell begründet wurde der Verkauf damit, dass die Anteile für den Verein überhaupt keine Vorteile geboten hätten und man den Verkaufserlös für den Bau eines neuen Vereinszentrums verwenden müsse.
Dessen Kosten werden den Verkaufserlös aber um ein Vielfaches übersteigen, wodurch der bisher schuldenfreie Verein in ein nicht kalkulierbares Risiko gestürzt wird. Der Verein ist daher künftig noch mehr als bisher auf die Einnahmen von vielen Fördermitgliedern angewiesen, um das attraktive Breitensportangebot aufrechterhalten und das neue Vereinszentrum betreiben und abbezahlen zu können. Leider wurde das Vereinszentrum aber nicht für alle Abteilungen geplant, sodass sich mit Tennis eine der ältesten Sparten des Vereins in naher Zukunft auflösen wird.
2. In der kommenden Woche (nach dem Spiel in Ingolstadt) steht die Mitgliederversammlung bei 96 an. Warum ist diese für die Zukunft des Vereins von großer Bedeutung?
Die Mitgliederversammlung 2016 ist nach unserer Einschätzung das wichtigste Ereignis in der jüngeren Vereinsgeschichte. Der Aufsichtsrat des Vereins wird in diesem Jahr neu gewählt. Hier sehen wir nun die letzte Chance als Fans und Mitglieder des Vereins, aktiv die Weichen stellen zu können. Es ist unser erklärtes Ziel, durch Unterstützung von mindestens drei Kandidaten für den fünfköpfigen Aufsichtsrat angemessenen Einfluss auf die Ausrichtung des Vereins zu nehmen. In den kommenden Jahren, so der öffentlich erklärte Wille von Martin Kind, soll eine Ausnahmegenehmigung der 50+1-Regel nach der DFL-Richtlinie beantragt und der Verein endgültig von der Profigesellschaft getrennt werden. Diese Entwicklung wollen wir so nicht!
Nicht zuletzt durch den für hannöversche Verhältnisse turbulenten Verlauf der Mitgliederversammlung 2015 konnte etwas Druck auf die Verantwortlichen aufgebaut werden, was unter anderem zur Einsetzung einer Satzungskommission führte, in der wir als Mitglieder aktiv die Stärkung des Aufsichtsrats mitgestalten konnten. Dieses von den Mitgliedern gewählte Gremium setzt den Vorstand ein.
3. Welche Ziele verfolgt Martin Kind mit einer Abspaltung der Spielgesellschaft vom Stammverein und welche Gefahr seht ihr dadurch für Hannover 96 sowie den deutschen Fußball? Wie schätzt ihr die Zukunft der 50+1-Regel ein?
Erklärtes Ziel der selbsternannten „Fangesellschafter“ (Investorenkreis um Martin Kind, Dirk Roßmann usw.) ist es, den Profifußball vollständig zu übernehmen. Möglich ist dies nach 20 Jahren erheblicher Förderung des Vereins durch die Investoren. Diese Regelung ist das Ergebnis des Verfahrens von Martin Kind im Rechtsstreit mit der DFL. Die erste Auswirkung gab es bereits, denn diese Regelung kam 2014 erstmals für Hoffenheim zur Anwendung. Vorher gab es diese Ausnahmen nur bis zum Jahr 1999 für die „Werksclubs“ Leverkusen und Wolfsburg.
Die Gefahr in einer Abspaltung sehen wir in Hannover für unseren Verein allein schon durch den Punkt der Finanzierung des Vereins. Zurzeit lebt der Verein durch die Beiträge der rund 20.000 Mitglieder. Ein Großteil (ca. 16.000) der Mitglieder besitzt eine sogenannte „Fördermitgliedschaft“. Diese Art der Mitgliedschaft besitzt kein Stimmrecht auf Mitgliederversammlungen aber alle Vergünstigungen und Vorteile beim Profifußball (exklusiver Kartenvorverkauf). Kurz gesagt ist es eine „Fanmitgliedschaft“ des Profifußballs. Wenn aber der Profiteil erst einmal komplett abgetrennt ist, ist die Entwicklung dieser Art der Mitgliedschaft schwer zu planen. Wenn es sportlich schlechter läuft, dann braucht man keinen bevorzugten Vorverkauf. In den Jahren mit Europa League-Spielen gab es z.B. einen extremen Zuwachs an Fördermitgliedschaften, weil jeder im Stadion dabei sein wollte. In der zweiten Liga wird der Andrang jedoch deutlich sinken und deshalb die Fördermitgliedschaft unattraktiver.
In einem Grundlagenvertrag zwischen dem Verein und der Profigesellschaft sind die Mitgliedervorteile zwar festgeschrieben, jedoch sichert dies nicht die Höhe des Beitragsaufkommens und damit z.B. auch nicht die Finanzierung des Vereinszentrums. Außerdem stellt sich die Frage, wie es mit der Vertragstreue eine oder zwei Investorengenerationen später aussieht: Warum sollte ein Käufer des Fußballclubs einem Breitensportverein, der nichts mehr mit dem Club zu tun hat, weiterhin exklusive Mitgliedervergünstigungen einräumen? Vielleicht möchte man seine Kunden lieber selbst mit einer Kundenkarte binden?
4. Wer ist Teil der Interessensgemeinschaft Pro Verein 1896 bzw. wer unterstützt euch? Was wollt ihr erreichen bzw. habt ihr schon erreicht?
Die Interessengemeinschaft Pro Verein 1896 besteht aus Mitgliedern des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. Zusammengefunden haben sich u.a. Antragsteller von Mitgliederversammlungen der letzten Jahre und an Transparenz und Mitbestimmung Interessierte.
Unterstützung bzw. Schnittmengen gibt es im Verein und in der Fanszene von Hannover 96. Pro Verein wird z.B. von der aktiven Fanszene in Hannover unterstützt. Besonders freut es uns, dass unser Anliegen auch Gefallen bei mehreren Spartenleitern und ganzen Abteilungen im Breitensportbereich des Vereins findet. Unsere Ziele haben wir auf unsere Homepage (www.proverein1896.de) dargestellt: Stärkung des Breitensports, Mitbestimmung der Mitglieder, die Stärkung des Aufsichtsrat und der Erhalt von 50+1 in Hannover.
Zum Schluss: Wollt ihr noch ein paar Worte an die Fans des FC Ingolstadt richten?
Als Fans und Mitglieder von Hannover 96 finden wir es gut, dass es in Ingolstadt eine so geschlossene Fanszene gibt, die sich erfolgreich für ihren Verein stark macht. Es ist euch gelungen, euren Verein vor dem vollständigen fremdbestimmten Verkauf der Profimannschaften zu bewahren, indem ihr entsprechende Regelungen in die Satzung aufgenommen habt. Die Mitgliederversammlung muss die Basis eines jeden Vereins bleiben. Wir hoffen sehr, dass uns eine ähnlich wirkungsvolle Regelung noch gelingt. Fußball ist Vereinssport!
IG PRO Verein, Mitglieder des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V.
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