Klage wegen des Abstimmungsverfahrens über einen Antrag auf Satzungsänderung erhoben

Auf der letzten Mitgliederversammlung des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V., am 27.04.2017, hatte ein Mitglied einen Satzungsänderungsantrag gestellt, dessen Annahme die Mitgliederversammlung dazu berechtigt hätte, über die Verfügung von Anteilen an der Hannover 96 Management GmbH zu bestimmen. Nach der Feststellung des Versammlungsleiters, Herrn Rechtsanwalt und Notar Müller-Eising, hatte der Antrag mit 263 Ja-Stimmen von angeblich 434 anwesenden Mitgliedern die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt. Zwar wurde anschließend ein „gewöhnlicher“ Antrag angenommen (sogar mit Zweidrittelmehrheit), der soll jedoch für den Vorstand unverbindlich gewesen sein, eben auch, weil – worauf unter anderem das OLG Celle hingewiesen hat – gerade die Versammlung den Satzungsänderungsantrag abgelehnt haben soll.
Dabei wird übersehen, dass die Abstimmung über den Satzungsänderungsantrag an zahlreichen formellen Fehlern leidet und daher ungültig ist. Dies zu erkennen, hat der Antragsteller nunmehr durch seine Rechtsanwältin beim Amtsgericht Hannover beantragt.
Die gesamte Antragsbehandlung kann nur als Farce bezeichnet werden. Mit der demokratischen Kultur des Sports, die auch in den Ethikbestimmungen, u.a. des Landessportbundes Niedersachen und des Deutschen Fußball-Bundes, Niederschlag findet, ist das ganze Prozedere nicht vereinbar.
Bereits im Vorfeld hatte der Vorstand die Abstimmung beeinflusst, indem er auf Kosten des Vereins und unter Nutzung der Mitgliederdatenbank Briefe an die Mitglieder versendete, in denen zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung zwecks Ablehnung des Antrags aufgerufen wurde. Eine Gelegenheit, eine Begründung für seinen Antrag in gleicher Weise den Mitgliedern zugänglich machen zu können, wurde dem Antragsteller ausdrücklich verweigert. In mindestens einer Abteilung des Vereins ist zudem die Teilnahme an der Versammlung mit Freigetränken durch den Vorstand und die Abteilungsleitung schriftlich beworben worden.
Der Antragsteller selbst hatte im Vorfeld der Versammlung bereits angekündigt, Anträge auf eine geheime Abstimmung über den Antrag stellen zu wollen. Die Geschäftsstelle von Hannover 96 hatte dennoch nur Stimmzettel für eine namentliche Abstimmung (nummerierte Stimmzettel, die über eine Liste eindeutig einem Mitglied zugeordnet wurden) vorbereitet und nicht für eine geheime Abstimmung. Der Versammlungsleiter lehnte es rechtswidrig ab, über den Antrag zur Geschäftsordnung auf geheime Abstimmung abstimmen zu lassen. Er meinte, seine Festlegung sei unabänderlich.
Endgültig zur Posse verkam die Abstimmung durch die weitere Festlegung des Versammlungsleiters, im Subtraktionsverfahren auszuzählen. Das Subtraktionsverfahren wurde für klare, offene Abstimmungen in großen Versammlungen entwickelt. So kann der Versammlungsleiter bei einem Antrag, für den eine große Mehrheit erwartet wird, nur die wenigen Nein-Stimmen und Enthaltungen auszählen und die Ja-Stimmen durch Subtraktion von der Gesamtzahl der Teilnehmer bestimmen (oder umgekehrt die Nein-Stimmen bei erwarteter klarer Ablehnung). Das Verfahren ergibt bei schriftlichen Abstimmungen keinen Sinn und darf bei knappen Verhältnissen nicht angewendet werden. Denn bei nur ganz klaren Verhältnissen kann die Möglichkeit, dass alle anderen, die sich nicht gemeldet haben, sich passiv enthalten wollten, als hinreichend unwahrscheinlich abgetan werden.
Man kann außerdem natürlich nur eine einzige Stimmoption durch Subtraktion ermitteln. In dem Abstimmungsverfahren war aber nur die Abgabe von Ja-Stimmen vorgesehen. Man kann indes nicht Nein-Stimmen und Enthaltungen durch Subtraktion ermitteln. Wer sich enthalten wollte, sollte nach dem Willen des Versammlungsleiters die laufende Versammlung komplett verlassen, also sich am Ausgang abmelden und die Stimmkarte abgeben. Eine Feststellung der tatsächlich anwesenden Mitglieder fand nicht statt.
So wurden letztlich alle nicht auf „ja“ lautenden Stimmen als Nein-Stimmen gezählt. Die Nichtberücksichtigung von aktiven und passiven Enthaltungen (durch Abgabe einer Enthaltungsstimme respektive Nichtteilnahme an der Abstimmung) widerspricht indes der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.01.1982, Az. II ZR 164/81) zu § 32 BGB, wonach bei den „abgegebenen“ Stimmen Enthaltungen nicht mitzuzählen sind. Der BGH führt im Urteil aus:
„Würden die Stimmenthaltungen dennoch bei der Mehrheitsberechnung mitgezählt […] dann würden sich die Enthaltungen so auswirken, als ob die betreffenden Mitglieder mit Nein gestimmt hätten. Damit würde der objektive Erklärungswert dieses Abstimmungsverhaltens verfälscht.“
Eine solche Verfälschung hat stattgefunden. Hätten sich von den ca. 434 Mitgliedern nur 40 aktiv enthalten oder nicht an der Abstimmung teilgenommen, wäre die Satzungsänderung zustande gekommen. An einer unmittelbar anschließenden offenen Abstimmung über den Antrag von Aufsichtsrat Ralf Nestler beteiligten sich nur exakt ausgezählte 325 Mitglieder, also 109 weniger, wobei sich die Ja-Stimmen im Vergleich zum Satzungsänderungsantrag nur um 31 Stimmen reduzierten (263 für den Satzungsänderungsantrag, 232 für den Nestler-Antrag).
Es ist daher anzunehmen, dass Vorstand und Versammlungsleiter das Zustandekommen und die Feststellung einer eigentlich vorhandenen Zweidrittelmehrheit durch undemokratische, unfaire und rechtswidrige Tricks vereitelt haben. Das nachträgliche Zustandekommen eines Beschlusses ist indes leider vor Gericht nicht erreichbar, so dass nur die Feststellung über die Ungültigkeit des Abstimmungsverfahrens erzielt werden kann.

Der Kläger hofft auf eine Entscheidung des Amtsgerichts vor der nächsten Jahreshauptversammlung.