Lesempfehlung: Mitgliederkandidat zur AR Wahl- Ralf Nestler im Interview

Mitgliederkandidat und Aufsichtsratsmitglied Ralf Nestler hat der IG Roten Kurve kurz vor den Wahlen zum Aufsichtsrat ein Interview gegeben,dessen Lektüre wir für Eure Wahlentscheidung am Sonnabend sehr ans Herz legen:

http://ig-rotekurve.de/2019/03/21/interview-ralf-nestler/

 

„Für uns stehen nicht Personen, sondern das Konzept im Mittelpunkt. Wir wollten erst über Inhalte sprechen und dann über die Personen.“


Kurz vor der zukunftsentscheidenden Mitgliederversammlung bei Hannover 96 haben wir uns mit Ralf Nestler, Mitglied des amtierenden Aufsichtsrates bei Hannover 96 und Mitgliederkandidat für die bevorstehende Aufsichtsratswahl, getroffen. Exklusiv stand er der Roten Kurve zum Interview bereit und nahm sich ausführlich Zeit um aktuell wichtige Fragen zu beantworten.

Herr Nestler konnte im Gespräch durch seine bekannt klare Linie überzeugen, zum Ende des Interviews spricht er eine wichtige Empfehlung gegenüber den Mitgliedern aus. Viel Spaß beim lesen!

Rote Kurve: Herr Nestler, die mit Spannung erwartete Jahreshauptversammlung 2019 steht vor der Tür, Sie treten erneut für einen Platz im Aufsichtsrat des Vereins an. Wie fühlen Sie sich?

Ralf Nestler: Super. Ich freue mich sehr darauf, vor allem, weil so viele Mitglieder daran teilnehmen werden. 2014, also vor gerade einmal fünf Jahren, kamen ca. 120 stimmberechtigte Mitglieder zur Jahreshauptversammlung und es ging kaum um Inhalte. Heute füllen wir große Hallen und wählen zwischen Konzepten. Das ist eine großartige Entwicklung.

Rote Kurve: Was war 2014 noch anders?

Ralf Nestler: Als ich damals beantragte, der Vorstand um Martin Kind solle sich für die Wiedereinführung der Auswärtsdauerkarten einsetzen, wurde ich von einem Vorstandsmitglied belehrt, dass der Antrag unzulässig sei, weil es den Verein nichts angehen würde. Es sei Sache der KGaA, also der Profigesellschaft. Immerhin erfolgte eine informatorische Befragung der wenigen Mitglieder, die natürlich zu 90 % der Empfehlung des Vorstandes folgten. Ich bekam nur wenige Stimmen, übrigens unter anderem die von Lasse Gutsch. Nach der Veranstaltung kamen aber viele der Ablehnenden zu mir und sagten, ich hätte absolut Recht. Sie hätten aber nicht offen gegen den Antrag Stimmen können. Diese Episode beschreibt das gesamte Dilemma, in dem wir uns damals befanden, und das hält teilweise bis heute an. Deswegen ist es gut, dass die Aufsichtsratswahl in geheimer  Wahl erfolgt, weil man so frei von Zwängen abstimmen kann.

Rote Kurve: Nun stehen wir kurz vor der Aufsichtsratswahl, es hat sich viel getan. Geht es tatsächlich um „Kind muss weg“ wie es im Stadion immer wieder zu hören ist?

Ralf Nestler: Mit diesem Slogan werden im Stadion letztlich viele komplexe Sachverhalte kanalisiert und vereinfacht. Heute reisen weniger Fans und Mitglieder auswärts als zu Zweitligazeiten 2016/17. Der Fandachverband Rote Kurve e.V. ist aufgelöst. Im Abstiegskampf ist das Stadion halbleer. Mitgliederrechte werden nicht beachtet und Mehrheitsbeschlüsse der Mitgliederversammlung vom Vorstand zu Empfehlungen degradiert. Die Gesellschafter streiten sich. Die Außendarstellung generell ist katastrophal. Viele beklagen einen Verlust an Identifizierung mit dem Verein und fehlende Empathie. Das muss sich dringend ändern. „Kind muss weg“ ist dabei die symbolische Äußerung als Resultat dieser Unzufriedenheit seitens eines Teils der Stadionbesucher. Aber Herr Kind ist Mehrheitsgesellschafter und ein entscheidender Teil von Hannover 96. Daran ändert sich auch nichts nach der Wahl am kommenden Sonnabend.

Rote Kurve: Wie sieht die finanzielle Lage aktuell im Verein aus?

Ralf Nestler: Die Lage ist ernst. Die Kassen sind so leer, dass wir nach Ansicht des Vorstandes im nächsten Jahr ein weiteres sechsstelliges Überbrückungsdarlehen benötigen werden. Der Finanzvorstand bestätigte kürzlich, dass keine einzige Abteilung im Verein kostendeckend arbeiten würde, wenn man die Kosten der Verwaltung des Vereins aufteilen bzw. zurechnen würde. Schon ohne diese Aufteilung war 2018 die Abteilung Tischtennis, um nur ein willkürliches Beispiel zu nennen, mit 60.000,00 Euro unterdeckt. Trotz des Vereinssportzentrums als eigene Sportstätte sind die Anmietkosten für fremde Sportstätten gestiegen. Mit viel Glück soll sich das Vereinszentrum in vier Jahren rechnen. Das hoffen wir alle, aber was, wenn nicht? Viel Geld geht für verlorene Prozesse des Vorstands verloren, deren Inhalt die Verletzung von Mitgliederrechten hat. Ich kenne kein erfolgreiches Urteil des Vorstands im Streit um Mitgliederrechte im Zeitraum meiner Amtszeit. Gerichtsverfahren soll es möglichst nicht mehr geben. Soweit darf es nicht mehr kommen.

Rote Kurve: Mit Sebastian Kramer haben Sie zum Wochenbeginn Ihren Kandidaten für den Vorstandsvorsitzenden präsentiert. Sie kennen ihn aus den letzten drei gemeinsamen Jahren im Aufsichtsrat. Wie kam die Wahl auf ihn?

Ralf Nestler: Ich schätze ihn als ruhigen, sehr sachlichen, mit hoher Kompetenz und Leidenschaft ausgestatten Menschen. Ich wüsste keine Persönlichkeit, der ich zutrauen würde, den Job als „Vereinsvorsitzender für alle“ so gut zu machen wie er. Und das sehen meine Mitstreiter genauso. Deshalb habe ich ihn schon vor einigen Monaten gebeten, Verantwortung zu übernehmen. Er  war sofort bereit dazu.

Rote Kurve: Blicken wir nach vorn: für den Fall dass die Mitgliederkandidaten die Mehrheit im Aufsichtsrat stellen, wie geht es dann weiter bei Hannover 96, was werden Ihre ersten Arbeitsschritte sein?

Ralf Nestler: Wir sind im Falle eines Wahlsieges vorbereitet. Wir kennen die Probleme und können sofort anpacken. 2016 verging fast ein halbes Jahr, bis ein Vorstand bestellt werden konnte. Das sollte dieses Mal wesentlich schneller gehen. Wir werden außerdem die Mitgliederbeschlüsse umsetzen, eine Satzungskommission berufen und eine grundsätzliche Bestandsaufnahme durchführen. Die Gespräche mit aktuellen und potentiellen Gesellschaftern werden wir einvernehmlich fortsetzen.

Rote Kurve: Was passiert mit dem Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei der DFL?

Ralf Nestler: Grundsätzlich plädiere ich dafür, diese Thematik nicht gerichtlich, sondern  in Hannover einvernehmlich zu lösen. Diese Chance gilt es zu bewahren. Es gibt einen Mitgliederbeschluss aus dem Jahre 2017, den 76 % angenommen haben. Danach sollen vor der Antragstellung bzw. Entscheidung durch die DFL das Für und Wider mit den Mitgliedern erörtert und dann durch sie entschieden werden.  Fairer geht es nicht. Um das zu ermöglichen, darf es keine vorauseilenden Entscheidungen geben. Das werden wir sicherstellen und somit automatisch auch Martin Kind für die Bewerbung seines Konzeptes alle Chancen geben.

Rote Kurve: Wieso ist Ihnen das mit den Mitgliederbeschlüssen so wichtig?

Ralf Nestler: Grundsätzlich einmal: Ein Verein ist eine Gemeinschaft. Wer Beschlüsse des nach der Satzung obersten Organes unseres Vereins, der Mitgliederversammlung, nicht beachtet, disqualifiziert sich in meinen Augen für ein Ehrenamt. Die Mitglieder sollten auch jeden Kandidaten genau hierzu befragen, also ob sie den erwähnten und andere Beschlüsse der Mitgliederversammlung achten und umsetzen werden. Wir, die Mitgliederkandidaten Nathalie Wartmann, Jens Boldt, Lasse Gutsch, Carsten Linke und ich sowie Sebastian Kramer dann im Vorstand mit seinem Team wollen und werden genau dies tun.

Rote Kurve: Das Team Herter will das nicht?

Ralf Nestler: Ich habe bisher von keinem weiteren Kandidaten gehört, dass die Beschlüsse der Mitglieder verbindlich geachtet und umgesetzt werden sollen. Im Gegenteil. Weder der obige Antrag, noch der über die Markenrechte werden unterstützt.

Rote Kurve: Pro Verein 1896 hat sich bereits früh, im Oktober 2018, konzeptionell festgelegt. Was sind die Kernpunkte dieses Konzeptes?

Ralf Nestler: Für uns stehen nicht Personen, sondern das Konzept im Mittelpunkt. Wir wollten erst über Inhalte sprechen und dann über die Personen. Alle Kandidaten unseres Teams stehen hinter dem Konzept. Wir haben bereits vor Jahren begonnen, es zu erarbeiten und Ideen einzubringen. Das ist schon einmal ein wesentlicher Unterschied.

Rote Kurve: Aber Herr Herter und sein Team haben ja auch ein Konzept?

Ralf Nestler: Das stimmt. Ich schätze jeden sehr, der sich engagieren will, so wie die Kandidaten jetzt.  Es hätte mich sehr gefreut, wenn zumindest auch ein Kandidat dabei gewesen wäre, der sich auf einer der Mitgliederversammlungen der letzten fünf Jahre aktiv interessiert gezeigt hätte. Ich bin mir sicher, dass sie auch tolle Ideen haben, aber es wirkt nicht, wie ihr eigenes Konzept.

Rote Kurve: Woran merkt man das?

Ralf Nestler: Herr Herter und sein damaliges Team erklärten klar, sich nicht in Belange der Investoren einmischen und auch nicht den Geschäftsführer der Profigesellschaft bestimmen zu wollen, insbesondere also auch nicht 50+1 und damit geltendes Satzungsrecht zu achten. Das gefährdet nicht nur die Lizenz, sondern führt auch dazu, dass man den Verein bewusst kleiner macht, als er ist. Auf Facebook macht Herr Herter plötzlich den Eindruck, er wolle nicht nur die Geschäftsführer bestimmen, sondern sogar auch noch die Strategie des Profifußballs. Das ist doch eine völlig gegenteilige Aussage und wird selbst Herrn Kind wundern. Im Konzept „Alles bleibt neu“ erkenne ich, als dass alles so bleiben soll, wie es ist, nur das „Personal“ ist neu. Herr Surmann plädiert wiederum öffentlich für einen völligen Neuanfang. Ich finde das gut, es steht aber eben nicht im Konzept. Ich sehe bei manchen Kandidaten durchaus den Willen zur Verbesserung in ihren Aussagen – aber eben nicht im offiziellen Konzept. Daher fehlt mir diese wichtige Identifikation.

Rote Kurve: Welche Unterschiede bestehen noch?

Ralf Nestler: Wir müssen die Vergangenheit aufarbeiten, um endlich einen Schlussstrich ziehen zu können. Probleme löst man doch nur, wenn man sie anspricht und prüft. Ist alles in Ordnung, dann hilft das doch Gräben zuzuschütten.

Rote Kurve: Welche Themen bedürfen Ihrer Meinung denn einer genaueren Betrachtung?

Ralf Nestler: Der Verein hatte einmal 49% der Anteile an der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA. Er hat 3,5 Mio. Euro erhalten, nachdem er an Kapitalerhöhungen, mit der Option sie nachholen zu können, nicht teilgenommen hat. Herr Kind will im Sommer dieses Jahres für wenige Spieler 40 Mio. Euro für die KGaA erlösen. Ein Spielerwert wurde aber 2014, zum Zeitpunkt des Anteilsverkaufs, gar nicht im Wert der Anteile berücksichtigt. Und wir hatten damals nicht nur einen Lars Stindl im Kader. Vereinsvorstand und Aufsichtsrat haben zudem in meiner Amtszeit, mit den Gegenstimmen von Sebastian Kramer und mir, beschlossen, 51 % der Anteile an der Hannover 96 Management GmbH, die bis dahin zu 100 % im Besitz des Vereins war, für lediglich 12.750 Euro an Martin Kind persönlich zu verkaufen. Ein Gutachten von einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt, Baker Tilly, hat den Wert der Management GmbH allerdings mit mindestens zehn Mio. Euro beziffert. Die entscheidende Frage ist also: handelte der Vorstand – mit Martin Kind als Vorsitzenden – nach kaufmännischen Grundsätzen mit der nötigen Sorgfalt, als er die Vermögenswerte des Vereins an Martin Kind zum Buchwert verkaufte. Es ist doch gut für Martin Kind und den Vorstand, wenn das positiv  festgestellt und das Misstrauen nachhaltig beseitigt werden kann.

Rote Kurve: Welche Themen sind Ihnen noch wichtig?

Ralf Nestler: Die Markenrechte. Wir wollen hier das Frankfurter Modell umsetzen. 2011, als wir in Europa unterwegs waren, spielte Frankfurt noch in der 2. Liga. 2014 wurde in Frankfurt ein Vertrag über die Markenrechte geschlossen. Der Verein erhält für diese im Gesamtpaket jährlich über 2 Mio. Euro von der ausgelagerten Profigesellschaft. Das Geld fließt vollständig in die Breitensportabteilungen. Von 2014 bis 2018 hat der Verein in Frankfurt die Mitgliederzahl von 30.000 auf 60.000 verdoppelt. Gleichzeitig verdoppelte sich auch der Umsatz der Profigesellschaft und liegt mittlerweile bei über 160 Mio. Euro. In Frankfurt fährt man sportliche Erfolge und hohe Gewinne ein. Und man höre und staune, das alles mit 50+1. Am meisten würde Martin Kind übrigens als Mehrheitsgesellschafter von diesem Modell profitieren.

Rote Kurve: Kann denn der Verein die Markenrechte bezahlen?

Ralf Nestler: Ja das kann er. Es bedarf hierzu keines Fremdkapitals oder Darlehensgeber. Wir schlagen dazu den Gesellschaftern ein aus ihrer Sicht  „Sale-und-lease-back-Geschäft“ vor. Den Kaufpreis für die Markenrechte zahlt der Verein über die zukünftigen Einnahmen aus der Rückverpachtung der Lizenzrechte. Das Eigentum an den Rechten verbleibt-endlich  insolvenzfest vor Risiken in der KGaA- im Vereinsvermögen. Da der Verein aktuell dringend Geld benötigt, kann in den ersten Jahren, bis sich das Vereinszentrum trägt, eine geringe anteilige Kaufpreiszahlung oder gar eine Kaufpreisstundung erfolgen. Ebenso könnte eine Sondertilgung vereinbart werden. Die Gesellschafter erhalten eine Verzinsung ihres Kapitals und nutzen Effekte, aus mehr  Dauerkartenverkäufen. Die Einnahmen aus den Lizenzrechten machen unseren Breitensportverein bekannter und attraktiver. Der Breitensport wird demnach  maßgeblich profitieren, wie auch die Gesellschafter. 50+1 wird somit zum Hebel bzw. Motor, nicht zum Ballast der Entwicklung. Natürlich stehen auch alternativ Investoren bereit, die Finanzierung für den Verein durchzuführen. Die Bereitschaft hierzu hat Martin Kind bereits öffentlich als auch mir persönlich gegenüber wiederholt geäußert.

Rote Kurve: Herr Kind will einen Wettbewerbsvorteil durch die Abschaffung von 50+1 in Hannover. Ist das realistisch?

Ralf Nestler: Wieviel Geld will man für diesen vermeintlichen Vorteil eigentlich noch versenken, müsste die Frage lauten. Worin soll dieser Vorteil bestehen? Eine Antwort hierauf steht aus. Zunächst werden wir Beitragseinahmen und die Gesellschafter Einnahmen   verlieren, wenn 50+1 fällt. Wir sind ein Traditionsverein. Große Sponsoren, wie zuletzt Daimler beim VfB Stuttgart, werden doch nur kommen, wenn sie einen Imagegewinn haben. Hat man diesen, wenn man den 1. FC Kind sponsert, oder eher bei Hannover 96 mit dem verbundenen gemeinnützigen Breitensportverein, Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.? 50+1 ist auch hier die Brücke. Und ehrlich gesagt, will doch jeder Sportler einen fairen Sieg und keinen, der auf Finanzdoping basiert. Financial  Fairplay  ist in aller Munde. Was sagt Herr Kind denn den Investoren, wenn die Fernsehgelder zukünftig hieran ausgerichtet und Vereine bzw. Clubs ohne 50+1 Regel als Ausgleich nicht mehr so beteiligt werden? Diese Forderung steht ja bereits im Raum.

Rote Kurve: Das Problem der Geschäftsführerbestellung scheint nicht lösbar?

Ralf Nestler: Doch. Bereits Anfang 2016 haben wir öffentlich auf einer Veranstaltung von Pro Verein 1896 eine Konzeption eines Beirates vorgestellt. der die Interessen der Gesellschafter mit denen des Vereins in Einklang bringen würde und ein hohes Maß an Verlässlichkeit bietet, zumindest zu 96 % und das sollte reichen. Ich bin mir sehr sicher, dass dieses Modell ein Weg für die Zukunft bei Hannover 96 sein kann, wie mir auch immer wieder Gespräche zeigen. Es gibt natürlich eine rote Linie, die nach den Bestimmungen der DFL und des DFB nicht überschritten werden darf. Letztlich muss das Bestimmungsrecht immer vom Mutterverein ausgeübt werden. Bisherige Konzepte von dritter Seite, beispielsweise eines Niesbrauchs am Bestellungsrecht des Geschäftsführers, waren indiskutabel. Das haben übrigens nicht nur wir, sondern auch Herr Kind und die DFL als satzungswidrig beurteilt.

Rote Kurve: „Wer zahlt, will auch entscheiden“ sind die Worte von Martin Kind. Ist die Sorge berechtigt, dass Sponsoren und Gesellschafter um ihren Einfluss fürchten müssen in Zukunft?

Ralf Nestler: Die Frage zeigt ja, sie haben bereits Einfluss – mit 50+1 und das schon seit 20 Jahren. Und nein, die Sorgen sind ganz und gar nicht berechtigt. Ich habe in den letzten drei Jahren so viel Misstrauen in die Entscheidungskompetenz der Mitgliederversammlung seitens des Vorstandes erlebt, das völlig unbegründet ist. Niemand muss etwas fürchten. Das ist Wahltaktik, die auch die aktiven Sportler erkennen und durchschauen – auch ohne die Möglichkeit, dass wir unser Konzept in allen Abteilungen, trotz mehrfacher Bitte, vortragen konnten. Umso mehr bewundere ich übrigens den Mut und die Einstellung derjenigen Verantwortlichen in den Abteilungen, die uns angesprochen und fair aufgeklärt haben. Es  ist bedauerlich, dass gerade die Kandidaten im Team Herter und er selbst, nicht für eine offene  Diskussion der Konzepte in den Abteilungen eingetreten sind.  Ungeachtet dessen: Es geht nur gemeinsam!

Rote Kurve: Was sagen Sie ihren Kritikern, die Sorge haben, dass der neue Aufsichtsrat den Breitensport aus den Augen verlieren könnte?

Ralf Nestler: Alle Maßnahmen, die wir im Unterscheid zum Konzept der anderen Kandidaten haben, kommen finanziell betrachtet gerade dem Breitensport zu Gute. Der Verein hat aktuell  kein Geld, um 10 % der Kapitalanteile an der KGaA, also der Profigesellschaft, zurückzukaufen, wie es Herr Herter gerne hätte. Das hat Martin Kind schon 2015 angeboten, aber nie umgesetzt. Wir kennen diese Art von „Versprechen“. Er wollte auch die Markenrechte zum ursprünglichen Kaufpreis dem Verein zurückverkaufen, die Management GmbH Anteile des Vereins niemals verkaufen, Aktien ausgeben und, und,  und…. Bei den aktuell kommunizierten Zahlen und Risiken, dürfte zudem die Annahme einer Schenkung für den Verein  kaum in Betracht kommen. Jedenfalls würde ich Derartiges niemals ungeprüft kommunizieren. Außerdem: Es fließt kein Cent dadurch in den Breitensport! Im Gegenteil: Im Falle des Abstiegs unserer Bundesligamannschaft, ggf. auch ohne Abstieg, wird neues Kapital benötigt, also auch der Verein müsste als Teilhaber an der KGaA dann Geld einsetzen, wenn er seine Anteile nicht gleich wieder verwässern wollte. Von welchem Geld soll der Verein seinen Anteil denn bezahlen? Und fällt 50+1 oder bleibt alles so belastet, wie es jetzt ist, werden viele Mitglieder den Verein verlassen. Das kann niemand wollen. Auch hier fehlen mir klare Antworten der anderen Kandidaten. Die Demokratieentwicklung hat im Verein zu einem erheblichen Mitgliederzuwachs geführt und dazu, dass wir heute überhaupt eine Konzeptwahl haben. Dafür haben wir uns eingesetzt. Das werden wir auch weiterhin tun und das kommt dem Breitensport zu Gute. Unser Konzept bietet den aktiven Sportlern in den Abteilungen gerade die Möglichkeit von Mehreinnahmen und einer Kostendeckung und vor allem  Beitragssicherheit. Dazu muss man nur die Konzepte einmal nebeneinanderlegen und hinterfragen.

Rote Kurve: Die Stadt, der Verein und die Fans haben in den letzten Jahren, nicht nur unter dem sportlichen, sehr gelitten – nennen wir es mal „Beziehungsstatus: kompliziert“. Was muss auf dieser Ebene geschehen in naher Zukunft?

Ralf Nestler: Jetzt ist der Zeitpunkt der Erneuerung gekommen. Wir sind an einem Punkt, da wollen wir alle, dass es besser wird,  Ruhe und Erfolg wieder einkehren und sich die Außendarstellung verbessert. Genau für diese Veränderungen stehen wir.

Rote Kurve: Was möchten sie den Wählern für die Wahl am 23. März noch mit auf dem Weg geben?

Ralf Nestler: Zusagen zu Anteilen oder Markenrechten oder sonstige „ Geschenke“  sind nur dann was wert, wenn durch die Einhaltung der Mitgliederbeschlüsse zu 50+1 Vereinsfrieden hergestellt wird. Lest die Konzepte und Aussagen und entscheidet dann nach bestem Gewissen und mit Vernunft. Wer sich nicht sicher ist, sollte sich  fragen: Welche Kandidaten wollen die  2017 getroffenen Mehrheitsbeschlüsse der Mitglieder umsetzen und damit sowohl die Satzung als auch die Mitglieder achten?

Mit der richtigen Antwort sollte die Entscheidung nicht mehr schwer fallen.

Rote Kurve: Herr Nestler, vielen Dank für diese offenen und ehrlichen Worte.