Vorstand und einige Abteilungsleiter rufen zur Abschaffung der Demokratie auf
Am gestrigen Samstag hatten zahlreiche stimmberechtigte Mitglieder des Hannoverschen Sportvereins ein Schreiben im Briefkasten, das zum Ziel hat, den von einem Mitglied eingereichten Satzungsänderungsantrag zum § 15 (Vorstandsbefugnisse) zu torpedieren.
Wer hat das Schreiben verfasst?
Das Schreiben stammt inhaltlich im Wesentlichen aus der Feder von Vorstandsmitglied Uwe Krause. Unterzeichnet ist das in verschiedenen Versionen versendete Schreiben vom Vorstand selbst und teilweise von den Abteilungsleitern. Es handelt sich hierbei nicht um ein mit allen Gremien abgestimmtes Vorgehen. Die beiden Aufsichtsräte Ralf Nestler und Sebastian Kramer distanzieren sich entschieden von diesem Schreiben und sehen hierin in einer ersten Stellungnahme ein vereinsschädigendes Verhalten sowie wegen des erheblichen Portoaufkommens eine Verschwendung von Vereinsvermögen.
Worum geht es?
Der Satzungsänderungsantrag ergänzt den § 15 der Satzung des Hannoverschen Sportvereins um einen weiteren Absatz. In diesem soll geregelt werden, dass eine Verfügung über die Hannover 96 Management GmbH – und damit über die letzte Verbindung zwischen Verein und Profifußball – in die Hände der Mitglieder gelegt wird, die mit einer 2/3-Mehrheit über eine endgültige Trennung entscheiden könnten.
Was will der Vorstand mit seinem Schreiben bewirken?
Der Vorstand wünscht sich eine Ablehnung des Antrags.
Wie wird dieser Wunsch begründet?
Hierzu werden in allen Versionen des Schreibens vier Punkte aufgeführt, die wir einem Faktencheck unterzogen haben.
Richtig ist, dass es eine Satzungskommission gab, die zu den letztjährigen Änderungen führte.
Falsch ist, dass in der Satzungskommission Einigkeit über die Mitgliedermitbestimmung zu zentralen Themen wie 50+1 herrschte. Dieses Thema wurde kontrovers diskutiert. Ein ähnlich lautender Satzungsänderungsantrag wie der diesjährige wurde darüber hinaus auch im Vorjahr eingereicht, jedoch von dem beantragenden Mitglied vor der Versammlung zurückgezogen. Mithin stellt die damalige halbjährige Existenz einer statuarisch nicht vorgesehenen Satzungskommission kein Ausschlusskriterium für weitere Satzungsänderungen dar, die es auch in der Vergangenheit regelmäßig gab. Es hat zudem gerade in den heutigen Tagen einen negativen Beigeschmack, wenn Vorstand und Abteilungsleitung die Mitglieder dazu aufrufen, gegen die Demokratisierung und für die eigene Entmündigung zu stimmen.
Richtig ist, dass die 50+1-Regel von den Mitgliedsvereinen der DFL in der gültigen Fassung mehrheitlich beschlossen wurde. Zu den zustimmenden Clubs gehörte auch der Hannoversche Sportverein, der durch Martin Kind im Jahre 2011 maßgeblich zur gültigen Regel beigetragen hatte.
Falsch ist, dass die 50+1-Regel eine Wettbewerbsverzerrung darstellt oder gar gegen europäisches Recht verstößt. Sie schützt vielmehr vor Wettbewerbsverzerrungen und Spekulation und ist im Rahmen der auch grundrechtlich geschützten Verbandsautonomie europarechtskonform. Gegenteiliges wurde zudem bisher von keinem Gericht festgestellt. Die Unterstellung durchgängig rechtswidrigen Verhaltens von DFB, DFL, aller Fußballvereine Deutschlands und die Beteiligung von Hannover 96 daran ist grotesk und ohne weitere Begründung lediglich die Privatmeinung von Uwe Krause und Martin Kind.
Falsch ist, dass sich durch eine Ausnahmegenehmigung, und damit die endgültige Trennung zwischen Verein und Profigesellschaft, irgendein positiver sportlicher oder wirtschaftlicher Effekt für den e.V. oder die Profigesellschaft ableiten lässt.
Richtig ist, dass zahlreiche Vereine der beiden Bundesligen derartige Paragraphen in ähnlicher Form in ihren Satzungen verankert haben. Der vorgeschlagene Paragraph zur Satzungsänderung ist beispielsweise nahe an einen Paragraphen aus der Vereinssatzung von Borussia Dortmund angelehnt. Es ist nicht bekannt, dass Borussia Dortmund oder einer der anderen Vereine mit der aktuellen Struktur rechtliche Probleme hätten.
Richtig ist, dass der Aufsichtsrat von den Mitgliedern gewählt wird.
Falsch ist, dass der Aufsichtsrat eine Vertretung der Mitglieder darstellt. Von einer umfassenden Beteiligung der Mitglieder kann erst recht keine Rede sein, wenn sich dieses auf eine Wahl im Dreijahresturnus beschränken sollte. Zur Erinnerung: Die Mitgliederversammlung ist gemäß unserer Satzung (§11.1) das oberste beschließende Organ des Vereins.
Richtig ist, dass sich das derzeitige Modell einer ausgegliederten Profifußballabteilung bewährt hat und das beste Modell für die Zukunft ist. Dieses sollte daher in bewährter Form fortgeführt werden. All das (Konzessionsvertrag Niedersachsenstadion mit der Landeshauptstadt Hannover, 14 Jahre Bundesligafußball, Neubau NLZ) wurde durch die Verbindung zwischen Verein und Profifußball unter Wahrung der 50+1-Regel geschaffen.
Richtig ist, dass der Vorstand auf den letztjährigen Mitgliederversammlungen entlastet wurde.
Falsch ist, anzunehmen, dass die Entlastung die Vorstandsmitglieder von ihrer persönlichen Haftung für getätigte Rechtsgeschäfte entbindet. In Erinnerung bleibt der Verkauf des mit Abstand wertvollsten Vereinseigentums, der Vereinsanteile an der Profifußballgesellschaft, zu einem fragwürdigen Preis, über die der Aufsichtsrat (!) und die Mitgliederversammlung erst informiert wurden, als der Vorstand vollendete Tatsachen geschaffen hatte. Solche nicht abgestimmten und unseriösen Handlungen werden durch die angestrebte Satzungsänderung unterbunden.
Falsch ist, dass die formale Trennung zwischen Verein und Profifußball elementar wichtig wäre. Auf der einen Seite ist der Verein weder durch das Steuerrecht noch durch Haftungsgründe bedroht, wenn die Verbindung beibehalten wird. Auf der anderen Seite kann sich der Profifußball wie in den vergangenen 17 Jahren wirtschaftlich ungehindert weiterentwickeln.
Fazit
Pro Verein 1896 empfiehlt die Zustimmung zu diesem Satzungsänderungsantrag. Es gibt aus unserer Sicht für den Verein keine Nachteile, wenn man am bewährten hannöverschen Erfolgsmodell auch in der Zukunft festhält. Das sehen nach eigenen Aussagen ja auch Vorstand und Abteilungsleiter so. Eine stichhaltige Begründung für die Notwendigkeit einer unwiderruflichen Trennung zwischen Verein und Profifußball wird zumindest auch durch dieses Schreiben, das den Verein eine mittlere vierstellige Summe gekostet haben dürfte, nicht geliefert. Daher sollte es lediglich der Mitgliederversammlung zustehen, über derart wichtige Vorgänge zu entscheiden.
Kommt zur Mitgliederversammlung am nächsten Donnerstag ins HCC!
Lasst euch nicht entmündigen! Stimmt für diesen und die übrigen Anträge!