In Ingolstadt wurde auf der vergangenen Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung aus der Fanszene vorgeschlagen und erreichte die Mehrheit der Stimmen an diesem Abend. Durch diese Satzungsänderung ist eine 2/3 Mehrheit der Mitgliederversammlung nötig wenn Anteile an der ausgelagerten Profisparte (FC Ingolstadt Fußball GmbH) veräußert werden sollen. Dort ist eine einfache Übernahme durch Investoren nun nicht mehr so einfach möglich. Der Antrag kam von der Fangruppierung “Black Red Company” (Link zur Homepage). Wir hatten die Gelegenheit dem Antragsteller ein paar Fragen zu stellen.
Wurde so ein Antrag vorher schon einmal gestellt oder geplant?
Ein erster Antrag zum Thema 50+1 wurde von der Fanszene 2013 eingebracht, erreichte jedoch keine Mehrheit, da man zu diesem Zeitpunkt mehr auf das Überraschungsmoment setzte anstatt die breite Masse der Mitglieder einzubeziehen.
Wie sah das Stimmungsbild, auch innerhalb der GmbH, im Vorfeld der entscheidenden Mitgliederversammlung aus, gab es welche die sich gegen die Änderung stellten?
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung 2013 ergaben sich mehrere Gespräche mit den Vorständen des Vereins, die gleichzeitig auch im Aufsichtsrat der GmbH sitzen, sowie mit den Geschäftsführern. Die Kommunikation war dabei von Anfang an auf Augenhöhe und der Wunsch der Mitgliedermitbestimmung für alle Beteiligten nachvollziehbar.
So wurde 2014 ein Vorstand für Fanangelegenheiten installiert, was seither einen idealen Informationsfluss in beide Richtungen ermöglicht. In diesem Rahmen konnten wir auch Überzeugungsarbeit zum Thema 50+1 leisten, sodass zur Mitgliederversammlung alle informiert waren und sich für den Antrag aussprachen.
Gab es neben der Fanszene Strömungen im Umfeld die den Antrag unterstützen?
Die Anträge kamen aus der Fanszene und wurden somit von allen Gruppierungen und Fanclubs unterstützt, wenngleich es natürlich immer Gruppen gibt, denen Vereinspolitik mehr am Herzen liegt als anderen.
Warum der Antrag auf Satzungsänderung, fürchtet man eine Übernahme von z.B. Audi (aktuell ~20% Anteile) nach der 20 Jahre Frist?
Man wollte mit dem Zeitpunkt des Antrags vor allem ein Zeichen setzen, dass der gerade in die Bundesliga aufgestiegene FC Ingolstadt eben kein weiterer Werksclub ist, sondern durchaus seine Eigenständigkeit wahrt und Wert auf die Meinung der Vereinsmitglieder legt. Die Gefahr, dass Audi nach 20 Jahren die Mehrheit übernimmt spielte dabei eher eine untergeordnete Rolle, da uns in den Gesprächen immer wieder versichert wurde, dass dies nicht das Bestreben ist. Vielmehr besteht die Angst, dass die 50+1-Regel nach den sich häufenden Ausnahmen und dem englischen „Vorbild“ nicht mehr allzu lange Bestand hat. Für diesen Fall war es wichtig eine verbandsunabhängige Regelung in der Vereinssatzung zu verankern, die die Vorstände schützt und eine solche richtungsweisende Entscheidung auf demokratischer Basis ermöglicht – unabhängig ob das in einigen Jahren Audi aufgrund einer 20-jährigen Unterstützung oder ein anderer Investor ist.
Wie ist euer eingetragener Verein aufgestellt, sind wie bei uns die männlichen Fußballteams von der Jugend bis zu den Profis ausgegliedert oder gibt es noch Fußball als Vereinssport bei euch?
Derzeit sind die Bundesliga- und Regionalliga-Mannschaft sowie die Jugendmannschaften im Leistungsbereich U19 und U17 in der GmbH ausgegliedert. Alle Mannschaften unterhalb der U17 sind im e.V., da dort der Spaß am Fußball im Vordergrund stehen soll. Ebenso sind alle Mädchen- und Damenmannschaften im e.V. angesiedelt. An der ausgegliederten Fußball GmbH hält der Verein 80,04% und durch die Berufung der Geschäftsführer in den Vereinsvorstand sowie einem Fanvorstand soll die Verbindung zwischen Verein und GmbH so eng wie möglich bleiben.
Wie seht ihr aktuell “aus der Ferne” Hannover 96, noch als einen Verein in der ersten Liga oder als “Investorenclub” wie Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim?
Für mich war und ist 96 definitiv ein großer Traditionsverein, allerdings ist es sehr traurig zu beobachten, wie eine einzelne Person eine derart große Fanbasis gegen sich aufbringen kann.
Wie seht ihr das Vorgehen von Martin Kind bezüglich 50+1 (die erstrittene Ausnahmeregelung)?
Ich will nicht in Frage stellen, dass Martin Kind in seinen Augen nur das Beste für Hannover 96 tut. Aber gerade in Ingolstadt haben wir gelernt, dass man nur etwas erreichen kann, wenn alle Beteiligten im Boot sind und deren Meinung ernst genommen wird. Diese Augenhöhe und Kompromissorientierung kann ich zumindest aus der Ferne bei 96 nicht erkennen. Meiner Meinung nach gefährdet Martin Kind durch sein Vorgehen auch die sportliche Zukunft des Vereins, denn die Tabellensituation rechne ich zu einem großen Teil der Unruhe im Umfeld zu.
Ist euch als Vereinsmitglieder das DFL-Papier zur Übernahmeregelung nach 20 Jahren “Förderung” auch inhaltlich bekannt, ist eine Einsichtnahme für euch möglich?
Da es bei uns noch etwas länger dauert bis die 20 Jahre Regel greift, haben wir uns damit noch nicht näher beschäftigt. Die Regelung erscheint mir aber auch sehr schwammig.
Wie wirkt das Konstrukt Hannover 96 (mit KGaA, Management GmbH, Sales & Service GmbH und eingetragenen Verein) auf einen Anhänger eines Fußballclubs mit einer einfacheren Struktur?
Ohne die genaue Historie der Entwicklung zu kennen, hat es auf mich zumindest den Eindruck, dass man bewusst über eine längere Zeit Vorkehrungen getroffen hat, die bereits fest einkalkulieren, dass die Übernahme der vollen Anteile nach 20 Jahren möglich und genehmigt ist. Auf mich wirkt das, als würde man dem normalen Vereinsmitglied nicht zutrauen, die rechtlichen Hintergründe und Regelungen zu verstehen bzw. Interesse dafür zu haben. Das verstärkt leider mein Bild von Martin Kind, der Fans offenbar nur als Konsumenten und nicht als Teil des Vereins sieht.
Wir bedanken uns für die Beantwortung der Fragen und wünschen Euch noch viel Erfolg beim Verhindern eines potentiellen Ausverkaufes.
IG PRO VEREIN 1896